The Voice of IoT. Mai 2021
Von der industriellen Produktion zur industriellen Service Organisation
Mit Hilfe von IoT wird die physische mit der virtuellen Welt verschmolzen und bietet damit der industriellen Produktion völlig neu Perspektiven. Die Produktionslinie wird zu einem regelrechten Wertschöpfungsnetzwerk, bei welchem alle Teilnehmer unausweichlich mit einbezogen werden. Die so generierten Daten und Informationen sind von grossem Vorteil für alle Beteiligte, wenn sie intelligent und nutzenstiftend gemanagt und bereitgestellt werden können. Produkte binden damit Kunden stärker an das Unternehmen und werden zu eigentlichen Services. Alle Beteiligten werden zu einem Service Ökosystem und Service Management wird zur herausfordernden Disziplin eines jeden Unternehmens.
Martin Andenmatten. Geschäftsführer und Gründer Glenfis AG. Schweiz.
Von Produkten zu Services
Es war schon immer ein Bestreben eines jeden Produkte-produzierenden Unternehmens, seine Kunden länger und fester an sich zu binden, als dies mit einem simplen Garantie- oder Wartungsvertrag möglich war. Wenn das Produkt einmal über den Ladentisch geschoben wurde, blieb der Kontakt eher lose und in aller Regel in den Händen des Kunden und damit in seiner Kontrolle. Das verändert sich schlagartig mit den digitalen Technologien, welche die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden über das Produkt als festen Bestandteil der Lösung werden lassen. Die Konnektivität durch IoT ist dabei eine Schlüsselkomponente, welches es dem Endkunden und dem Unternehmen ermöglicht, von überall und jederzeit auf Informationen zuzugreifen.
Die Qualität eines solchen rund um die Uhr mit Informationen versorgenden Produktes bekommt dabei ganz neue Dimensionen. Die Verfügbarkeit und Aktualität dieser Informationen sowie die notwendige Performance müssen überwacht und sichergestellt werden. Zudem gibt mehr Interaktionen mit den Kunden im Falle von Unterstützungs-Anfragen, Störungen und Kommunikation über Veränderungen des genutzten Angebots. Das Produkt bekommt einen grossen Anteil an Dienstleistungen, wobei die Dienstleistung selber oft im Auge des Kunden einen grösseren Stellenwert einnimmt, als das zugrundeliegende Produkt. Produkte werden zu Services und so braucht das Unternehmen neben dem Produkte Management neu auch ein unternehmensweites Service Management.
Herausforderungen im Managen dieser Services
Der sinnvolle und verantwortungsvolle Umgang mit diesen Daten muss aber auch zuerst gelernt sein. Unternehmen tendieren dazu, das IoT schnell einzuführen, was zu mehr verbundenen Geräten, mehr generierten Daten und immer mehr auch unübersichtlichen Endpunkten führt, die verwaltet werden müssen. Während die Datenmengen in die Höhe schiessen, steigt die Komplexität des Gerätemanagements exponentiell an. Störungen und Probleme können jederzeit auftreten. Bestehende Lösungen und Software-Komponenten müssen entsprechend laufend optimiert und angepasst werden. Change Management und Release Management werden zu kritischen Business-Funktionen, sollen solche Änderungen möglichst störungsfrei erfolgen. Der IoT-Betrieb und die zugrundeliegenden Service Management Praktiken werden zum primären Engpass bei der Einführung der IoT-getriebenen digitalen Transformation. Die Menge der gemeldeten Vorfälle kann sehr schnell eskalieren, was zu Fehlalarmen und zu verpassten kritischen Zuständen führt.
Der Kunde hat in der Regel immer Verständnis, dass etwas mal nicht funktioniert. Aber er hat keine Geduld, wenn sich das Problem für ihn nicht nachvollziehbar hinauszögert. Wenn eine Organisation sich auf solche Situationen nicht genügend vorbereitet, kann ein über Jahre aufgebautes Produkte-Image innert kürzester Zeit zerstört werden.
Service Management als Unternehmens-Disziplin
Unternehmen müssen eine Service Management Disziplin aufbauen, welches sich auf die Datenqualität statt auf die Quantität und die daraus resultierenden Probleme in Bezug auf Datenschutz, Sicherheit, Compliance und Zuverlässigkeit der Infrastruktur konzentrieren. Wenn die Datenqualität stimmt, können Unternehmen Service Management Aktivitäten und Entscheidungen auf der Grundlage genauer realer Informationen automatisieren.
Die Konfiguration und Steuerung von IoT-Geräten sind in jeder Initiative zur digitalen Transformation schwierig. IoT-Technologien müssen in unterschiedlichen, komplexen und dynamischen Umgebungen eingesetzt werden können, wobei die Gerätekonfigurationen immer mit den Unternehmensrichtlinien für Sicherheit und Leistung für jeden IoT-Anwendungsfall übereinstimmen müssen. Abhängigkeiten von proprietären Standards und Technologieintegrationen tragen zu Einschränkungen der möglichen Konfigurationsänderungen bei. Dabei muss Service Management helfen, die Flexibilität und Nutzbarkeit skalierbarer IoT-Systeme über eine Reihe von Anwendungsfällen hinweg aufrechtzuerhalten. Die Implementierung der richtigen Service Management Praktiken und -Modelle hilft, IoT-Konfigurationsänderungen entsprechend zu managen und zu aktualisieren. Diese Ziele zu erreichen, sind fortschrittliche Überwachungslösungen unabdingbar, um Sichtbarkeit und Kontrolle in ausgedehnten IoT-Netzwerken zu erhalten. Dabei ist die Kontrolle der Beziehungen zwischen IoT-Konfigurationselementen und den Serviceleistungen ein integraler Bestandteil einer effektiven Service Management Strategie.
Die Servicebereitstellung von IoT-Services muss kontinuierlich und iterativ erfolgen. Konfigurationsänderungen, Wartung der Geräte sowie Incident- und Problem-Management müssen klar vordefiniert und nach Möglichkeit automatisiert werden. Proaktivität ist dabei ein Schlüsselelement. Service-Desks bearbeiten Incidents in der Regel reaktiv. Das bedeutet, dass Vorfälle oft erst dann an den Service-Desk gemeldet werden, wenn sie bereits eingetreten sind. Intelligentere Lösungen können jedoch IoT-Sensoren auch dazu verwenden, um die Geräteleistungen zu überwachen und dadurch automatisch drohende Probleme zu melden, bevor sie auftreten. Darüber hinaus können Vorfälle proaktiv verhindert werden, wodurch das Risiko von Ausfallzeiten verringert wird.
Es ist jedoch trügerisch zu denken, dass Service Management mit einer Software-Lösung alleine realisiert werden kann. Viel wichtiger ist das im Unternehmen zu verankernde Service Gedankengut und die Servicekultur. Der Mensch, sein Verhalten und seine Einstellung zum Kunden und zur Qualität der Services sind zwingende Voraussetzungen für ein erfolgreiches Service Management im IoT Zeitalter. Das ist primär eine Führungsaufgabe und bedingt entsprechende Unterstützung und Forderung durch die oberste Geschäftsführung. Die Strategie des Unternehmens und was mit den IoT-Services erreicht werden soll, ist eine der zentralen Fragestellungen, welche ganz zu Beginn des Projektes geklärt werden müssen. Die Strategie muss daher nicht nur die Technologie allein im Fokus halten, sondern die Veränderung im Unternehmen und im Service-Ökosystem mitberücksichtigen.
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